Vor 30 Jahren: Das Ende einer außergewöhnlichen NHL-Saison
Am 9. Juni 1993 krönten sich die Montreal Canadiens zum bis heute letzten kanadischen Stanley-Cup-Champion. Damit endete eine NHL-Saison, die auch sonst in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich war. Von einem Blockbuster-Trade in der Offseason über Rekorde in der Hauptrunde bis hin zu überraschenden Playoffs – fast ein ganzes Jahr lang jagte eine Schlagzeile die nächste.
Im Sommer 1992 erregte der Trade von Eric Lindros großes Aufsehen. Der First-Overall-Draftpick des Vorjahres weigerte sich hartnäckig, bei den Quebec Nordiques, die ihn ausgewählt hatten, einen Vertrag zu unterschreiben. Nachdem keine Einigung zustande gekommen war, wurde er deshalb zu den Philadelphia Flyers transferiert.
Als die NHL im Oktober 1992 in ihre 76. Spielzeit startete, umfasste die Liga erstmals 24 Teams. Die Ottawa Senators und die Tampa Bay Lightning waren im Zuge der neuen Expansionswelle hinzugekommen. Es wurde außerdem das 100-jährige Bestehen des Stanley Cups gefeiert. Alle Spieler trugen deshalb während der gesamten Saison einen entsprechenden Aufnäher auf dem Trikot.
Offensivspektakel in der Regular Season
Nach dem Beginn der Hauptrunde wurde eines schnell deutlich: Die Offensivabteilungen waren besonders gut aufgelegt. Es sollte eine der torreichsten Saisons der NHL-Geschichte werden. Immer wieder lieferten sowohl Mannschaften als auch Einzelspieler bemerkenswerte Leistungen ab.
Einer stach dabei heraus: Mario Lemieux dominierte mit den Pittsburgh Penguins die Liga und scorte wie am Fließband. Zwischenzeitlich schien er sogar die Saisonrekorde von 92 Toren und 215 Punkten angreifen zu können, die Wayne Gretzky in den Achtzigerjahren aufgestellt hatte.
Doch im Januar 1993 rückte all das in den Hintergrund: Bei Lemieux wurde ein Hodgkin-Lymphom diagnostiziert und er musste sich einer zweimonatigen Strahlentherapie unterziehen. Im März reiste er am Abend seiner letzten Behandlung zum Auswärtsspiel nach Philadelphia und sammelte gegen die Flyers direkt ein Tor sowie eine Vorlage. Daraufhin begannen die Penguins eine Siegesserie, die über einen Monat und 17 Partien hielt – bis heute NHL-Rekord.
Am Ende der Regular Season hatte Lemieux 160 Punkte auf dem Konto und wurde damit Topscorer, obwohl er 24 Partien weniger absolviert hatte als die Konkurrenz. Das soll allerdings nicht heißen, dass die anderen Stars nicht abgeliefert hätten – im Gegenteil. Insgesamt 21 Spieler kamen auf 100 oder mehr Punkte, 14 Spieler auf 50 oder mehr Tore. Beides stellt ebenfalls bis heute einen NHL-Rekord dar.
Auch Teemu Selänne hatte beide Meilensteine erreicht – und das als Rookie. Mit 76 Toren und 132 Punkten pulverisierte er die bisherigen Bestmarken für Liganeulinge. Seitdem kam niemand mehr auch nur in die Nähe solcher Zahlen.
Die ursprünglichen Winnipeg Jets und heutigen Arizona Coyotes hatten aber nicht nur mit Selänne im Draft richtig gelegen. Mit ihm, Alexei Zhamnov, Keith Tkachuk und Evgeny Davydov verfügte das Team über vier der elf besten Rookie-Scorer der Saison.
Bei all diesen Geschichten gerät es fast zu einer Randnotiz, dass die Calgary Flames im Februar einen der höchsten Siege der NHL-Geschichte eingefahren hatten: Beim 13:1 zuhause gegen bemitleidenswerte San Jose Sharks bereitete Goalie Jeff Reese drei Tore vor – ein weiterer Rekord.
Favoritensterben und eine unerwartete Finalpaarung
Die folgenden Playoffs standen der außergewöhnlichen Regular Season in nichts nach. In der ersten Runde kassierten gleich zwei von vier Division-Siegern einen Sweep und flogen damit hochkant aus dem Wettbewerb: Die Boston Bruins scheiterten an den Buffalo Sabres, die Chicago Blackhawks an den St. Louis Blues. Weniger überraschend schieden auch Selänne und seine Jets gegen die Vancouver Canucks aus.
Nachdem Letztere in der zweiten Runde gegen die Los Angeles Kings verloren hatten, war nur noch ein Division-Champion übrig: Die Serie der hochfavorisierten Penguins gegen die New York Islanders ging parallel ins Entscheidungsspiel. In der Overtime traf David Volek für den Außenseiter und warf damit den Titelverteidiger aus dem Turnier – eine der größten Überraschungen der Playoff-Historie.
Damit war der Weg frei für eine Finalpaarung, mit der vorher niemand gerechnet hatte. Am Ende triumphierten die Montreal Canadiens mit 4:1 über die Kings. Auf dem Weg zum 24. Stanley Cup ihrer langen Franchise-Geschichte bewiesen die Habs Nervenstärke: Zehn ihrer 16 Siege fuhren sie erst nach Overtime ein, davon drei in den Finals. Das ist – wie sollte es auch anders sein – bis heute NHL-Rekord.
Foto: AFP
Kommentar hinterlassen